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Über das üppige Blühen der Üs im Frühling

    

Gülcan ist fünf. Hübsch, vergnügt und unbekümmert.
Jürgen, ihr Kindergartenfreund, würde auch schon gerne fünf sein und ist wütend, weil er es noch nicht ist. Dabei müsste er doch wissen, dass er übermorgen seinen fünften Geburtstag hat.

 Die Beiden schlüpfen aus ihren Schuhen und hüpfen mit nackten Füßen über die  noch kühle Frühlingswiese und Gülcan bemüht sich über alle Maßen, Jürgen die üble Laune auszutreiben. "Ist doch verrückt und überflüssig, wo du doch übermorgen fünf bist", überlegt Gülcan und vertreibt rasch eine Mücke auf Jürgens Rücken. Zerdrücken will sie das geflügelte Tier nicht.

Da ruft Gülcan: "Jürgen, siehst du den kleinen Hügel da drüben? Der ist ja über und über gefüllt mit leuchtend tiefblauen Blüten, lass uns hinüber laufen".
Von einem auf das andere Bein hüpfend kommt Gülcan drüben an und sie ist entzückt! Jürgen, der noch ein kleines Stück zurück ist, ruft sie überglücklich zu: "Jürgen, der Hügel ist überfüllt mit  blühendem Günsel!"   

Jürgen nimmt noch die letzte Hürde. Nun bestaunt auch er glücklich das überaus üppig blühende Farbenstück mitten auf dem Wiesenhügel.
Gülcan kann sich nicht zurück halten und pflückt fast übermütig Stück um Stück vom blühenden Günsel und schon drückt sie vorsichtig den blühenden Blümchenstrauß Jürgen in die Hand.

"Für dich Jürgen! Ich wünsche dir schon mal verfrüht viel Glück, lieber Jürgen, zu deinem fünften Geburtstag übermorgen", lacht Gülcan vergnügt und drückt ihrem Freund ein Küsschen auf die glühende Wange.
"Würdest du noch mit mir nach Hause hüpfen, Opa kocht, abgesehen von seinen Frühstückskochkünsten, die überhaupt beste Gemüsesuppe mit frischen, pürierten Frühlingskräutern in Hülle und Fülle, magst du?"

Jürgen mag. Sie schlüpfen wieder in ihre Schuhe und bald schon schlürfen sie gemeinsam  am großen Küchenesstisch genüsslich Opas Gemüsesuppe aus einer Schüssel, dabei erzählen sie ihm vom blühenden Günsel und dem davon über und über  gefülltem Wiesenstück.

Opa, der gerade mal fünfundfünfzig Jahre alt ist - Oma übrigens übers Jahr auch - fragt: "Sind das nicht ein wenig viel Üs am Stück?"
Um genau zu sein, hat Opa gefragt: "San des ned vü zvü Ü?
Denn Opa spricht gerne im Dialekt.                                                                                                    

"Oja, Opa", rufen Gülcan und Jürgen, obwohl der Opa gar nicht sein Opa ist, "oja, erzähl uns die Geschichte vom Günsel bitte ganz ohne Ü!"

"Ganz ohne Ü?", vergewissert sich Opa überrascht, schaut ziemlich verblüfft, beinahe etwas dümmlich, "das könnte eine schwierige Aufgabe werden, lasst mich mal kurz ü- äh, nachdenken."
Aber Gülcan und Jürgen sind überzeugt von Opas Erzählkünsten. Gleich rücken sie an seine Seite und drücken sich gemütlich an ihn.

"Wir lieben deine Geschichten überaus", flüstert Gülcan Opa ins Ohr, während sie ihre Füße unter ihren Popo zieht, "und werden nicht müde davon sie zu hören." Schon lümmeln Gülcan und Jürgen genüsslich an Opas Seite, ganz für die Geschichte bereit.
Opa schmunzelt nun vergnügt und Oma zwinkert ihm über die Suppenschüssel hinweg spitzbübisch aufmunternd zu, da legt Opa den Gemüsesuppenlöffel zur Seite, obwohl in der Schüssel noch ein Schlückchen Suppe übrig ist, lehnt sich bequem in den türkisfarbenen Rückenpolster, drückt behutsam die beiden Kinder an sich und beginnt fast würdevoll:

"Meine kleine Enkeltochter, ein fröhliches, nettes Mädchen, läuft mit ihrem Freund aus dem Kindergarten durch eine Blumenwiese im Mai. Ihr Freund ärgert sich gerade, dass er  ...."